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Katalog
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Urbane Rituale,
Der Klangkünstler Christof Schläger
Verlag Hanno Ehrler
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I. Instrumentenbau
Das klassische
Instrumentarium empfindet er, trotz seiner unglaublichen Perfektion,
die es einer Jahrhunderte langen Entwicklung verdankt, als Beschränkung
der Klangfantasie. Das Klavier reicht mir nicht, sagt Schläger.
Wie seine gleichgesinnten Kollegen fühlt er sich durch die Standardisierung
des Instruments und das Tonsystem, das es repräsentiert, eingeengt.
Mit seinen selbstgebauten Maschinen möchte der Künstler das Fundament,
auf dem die Musik des Abendlandes gründet, verlassen. Er begibt
sich auf unbekanntes Terrain, in einen unstrukturierten, unerforschten,
anarchischen Klangraum – anarchisch hier in seiner ursprünglichen
Bedeutung als ohne Anfang, ohne Geschichte.
Schläger begann mit der Demontage des Klaviers durch Präparierung
der Filze mit Reißnägeln und durch Anbringen von Ketten an die Saiten.
Später wandte er sich ganz vom vorfabrizierten Instrument ab und
entwarf übermannsgroße Luftskulpturen aus aufblasbaren Schlauchsystemen.
Dabei entdeckte er die akustischen Aspekte solch architektonisch
skulpturaler Objekte. 1984 entstanden die ersten
Klangmaschinen. Deren akustische Emanationen hatten zunächst
keine klaren Tonhöhen. Die Geräte produzierten ein ganzes Universum
unterschiedlicher Geräusche, bei denen auch das der Ruhrgebiets-Umwelt
abgehörte Rauschen allenthalben durchklingt. Später entstanden Maschinen,
die teilweise zumindest, klare Tonhöhen erzeugen, gefärbt jedoch
durch die Materialien und Konstruktionen der Instrumente.
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Bauelemente: Dosen, Schellen und Typemagneten |
Viele Bauteile
für seine Klangmaschinen entnimmt Christof Schläger anderen Maschinen,
kleine Motoren oder Magnete zum Beispiel, wie man sie in elektrischen
Schreibmaschinen findet. Nach solchen Bauteilen sucht Schläger wie
ein Geigenbauer nach geeigneten Holz. Sie werden dann in neue technische
Zusammenhänge gestellt. Aus Bauteilen unterschiedlicher Funktion
und Herkunft entsteht eine ganz neue Maschine. Beim Flatterbaum
zum Beispiel dienen Plattenspielermotoren nicht als Rotationsaggregate
für Schallplatten, sondern für flatternde Papierscheiben. Schläger
wählte diese speziellen Motoren, weil sie klein und für eine Umdrehungsgeschwindigkeit
ausgelegt sind, die die Plastik- und Papierscheiben des Flatterbaums
zum Klingen bringt, ohne sie zu zerstören. Wenn das nicht genau
passt, wenn die Bauteile in der neuen Maschine nicht perfekt funktionieren,
feilt, schraubt und lötet Schläger sie millimetergenau zurecht.
Um diese Maschinen dann zu spielen, verwendete Christof Schläger
anfangs eine Industriesteuerung von Klöckner Möller, wie sie auch
heute noch für die Regelung von Wasserwerken, Walzstraßen oder Ampeln
eingesetzt wird. Jedoch erwies sich diese Art der Steuerung als
umständlich. Schläger entschied sich daher für das Datenübertragungsprotokoll
MIDI, welches ihm sehr viel komfortablere Möglichkeiten bot. Allerdings
muss ein Computer beziehungsweise ein Notebook mit Sequenzern, Kompositions-
und Notationsprogrammen zwischengeschaltet werden. Mit MIDI können
musikalische Ideen und Strukturen in die Steuerung von Motoren und
Magneten umgesetzt werden.
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Klanginstrumente v.l.n.r.: Quäker, Standzeit, Schellenbaum, Federine und Klapperrappel
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Dann werden die Klangmaschinen bei Aufführungen und Installationen
eingesetzt. Die Erfahrungen aus diesen Projekten führen zu Verbesserungen
und Modifikationen, um die Klangcharakteristik zu verfeinern und
zu präzisieren. Die Konstruktion einer Maschine ist kein abgeschlossener
Prozess, sondern ein nie endendes Erkunden der bestmöglichen Form.
Auf einer pragmatischen Ebene sucht Christof Schläger solange nach
Bauteilen, bis er solche gefunden hat, die seinen Wünschen genau
entsprechen. Diese werden dann gegebenenfalls modifiziert. Auf der
künstlerischen Ebene führt dieser Prozess des Forschens und Erprobens
zu einer Klangwelt, die Schläger imaginiert, aber nicht bis ins
Einzelne vorausplant. Sie entsteht in der Wechselwirkung zwischen
der Imagination, dem experimentellen Bau der Klangmaschinen und
den Hörerfahrungen mit den Klängen, die diese hervorbringen.
Die Klangmaschinen sind Ergebnisse künstlerischen Gestaltens, zugleich
aber auch technische Produkte. Im Vergleich zu vielen technischen
Alltagsgeräten scheinen Schlägers Maschinen die besseren zu sein.
Sie sind zweckmäßig bis ins Detail. Sie sind beherrschbar. Sie erfüllen
aufgrund ihrer Konstruktion ihre Funktion, nicht mehr und nicht
weniger, und sie bilden darüber hinaus eine Einheit von Funktion
und Ästhetik. All das kann man von den allermeisten technischen
Produkten des Alltags nicht sagen. Oft folgen sie einer technizistischen
Ideologie, dem Machen des Machbaren, meist dann auf Kosten einer
sinnvollen oder einwandfreien Funktion. Häufiger sind sie aus ökonomischen
Gründen unzweckmäßig, begonnen beim viel zu kurzen Stromkabel vieler
Geräte. Christof Schlägers Klangmaschinen hingegen entäußern einen
innigen Zusammenklang von Konstruktion und Funktion. Sie könnten
als Allegorie für einen sinnbehafteten Einsatz von Technik überhaupt
stehen. „Wenn man die Maschinen gut behandelt“, sagte der Kraftwerk-Musiker
Ralf Hütter, „dann behandeln die uns auch gut.“
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II. Rauschen
Tatsächlich
formulieren viele Klangkunst-Projekte eine inhaltliche Beziehung
zu Umweltgeräuschen, wie der US-amerikanische Klangkünstler Bill
Fontana es fordert. Bei Christof Schlägers Arbeiten steht dieser
Bezug nicht im Vordergrund, ist aber eine durchaus wesentliche Komponente.
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In einer Region wie dem Ruhrgebiet war industrieller Lärm ein akustisches
Markenzeichen. Heute, nach dem Niedergang der Industrie, formt sich
das akustische Ambiente der Region anders und weniger charakteristisch.
Die dichte Besiedlung und das engmaschige Autobahnnetz erzeugen
Verkehrsgeräusche, die auch nachts als leises Rauschen permanent
zu vernehmen sind. Neben dem industriellen Geräusch ist es vor allem
diese eher dem Zivilisationsprozess geschuldete Klangwelt, die Christof
Schläger fasziniert und inspiriert. Der Klangkünstler spricht vom
nächtlichen Rauschen als etwas Geheimnisvollem, als etwas, das über
die scheinbare Schlichtheit des Phänomens weit hinausgeht. Ihn interessieren
die Strukturen, die im Rauschen zu entdecken sind, die Variationen
verschiedener Rauschklänge und ihre ganz unterschiedliche Farbigkeit.
Die Präsenz von Rauschen begründet eine ästhetische Haltung, die
elementar für Christof Schlägers Arbeit ist. Rauschen symbolisiert
Ungeordnetes, Undurchsichtiges, Vielschichtiges, Prägeformtes, Unsystematisches,
Freies, Offenes, Unentscheidbares. Rauschen kann sehr unterschiedlich
beschrieben und gedeutet werden, musikalisch, technisch, soziologisch,
medizinisch und philosophisch.
Die physikalische Akustik beschreibt Rauschen nach der Verteilung
der darin enthaltenen Frequenzen. Das bekannteste ist das sogenannte
weiße Rauschen. Es bezeichnet einen Klang, der alle hörbaren Frequenzen
in gleicher Intensität aufweist. Weißes Rauschen kommt allerdings
in reiner Form nicht vor. In der Natur und auch bei elektrischen
Geräten entsteht meistens rosa Rauschen, bei dem viele, aber nicht
alle Frequenzen klingen, aber, so definiert es die Physik, bei dem
die Energie pro Frequenzdekade gleich verteilt ist.
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1827 beobachtete der Botaniker Robert Brown, dass Polfunden und
ausgesagt werden können, ohne etwas Belen in Wasser unregelmäßige
Bewegungen machen. Sie stimmtes über das hierbei Geschehende sagen
zu könwerden von den Wassermolekülen angestoßen, die sich nen.“
je nach Temperatur langsamer oder schneller bewegen. Diese so genannte
Brownsche Molekularbewegung kann nur statistisch beschrieben werden.
Im Einzelnen ist sie nicht vorhersehbar und kann wegen ihrer Unbestimmtheit
als Rauschen bezeichnet werden. Strukturelle Unbestimmtheit, ganz
gleich ob es sich um einen akustischen, optischen, physikalischen
oder theoretischen Sachverhalt handelt, definiert das Rauschen.
So ist Rauschen auch eine kunstästhetische und philosophische Kategorie.
In Bezug auf Kunst interpretiert der Philosoph Martin Seel Rauschen
als einen Grenzfall der Wahrnehmung, ein optisches oder akustisches
Ereignis, in dem zu differenzieren es ganz unmöglich ist oder dieses
schwer fällt.
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III. Geräusch
Um die Mitte
des 20. Jahrhunderts jedoch wurde auch der rohe Klang der Welt musikfähiges
Material. Anteil daran hatten die Entstehung der elektronischen
Musik, das Konzept der musique concrète, die Entwicklung von geräuscherzeugenden
Spieltechniken auf den klassischen Instrumenten und kompositorische
Theorien und Konzepte, etwa John Cages Postulat, alles Klingende,
gleich welcher Provenienz, sei musik- beziehungsweise kunstfähig.
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Der wesentliche Unterschied zwischen beidem, zwischen den Tönen,
die den hochkultivierten Instrumenten entströmen, und den unharmonischen,
oft unerwünschten und störenden Geräuschen des Alltags ist die Systematisierbarkeit.
Die musikalische Tradition formulierte Tonsysteme, bei denen jedem
Ton beziehungsweise jeder Tonhöhe ein genau definierter und mit
einem bestimmten Sinn versehener Platz zugeordnet wurde, unabhängig
vom Instrument und letztlich unabhängig vom konkreten Klang. Musikalischer
Sinn definiert sich durch in diesem Sinne abstrakte melodische (horizontale)
und harmonische (vertikale) Tonhöhenbeziehungen. Der Parameter Klangfarbe
spielt in der abendländischen Musik eine nur untergeordnete Rolle.
Hingegen beherrscht er das Wesen des Geräuschs, denn dieses definiert
sich hauptsächlich aus seiner Klangcharakteristik. Während aber
Tonsysteme wie die zwölftönige temperierte Skala mit ihren Intervallbezügen
systematisch beschrieben werden können, ist das mit den Klangwerten
der Geräusche kaum möglich. Im 1966 veröffentlichten „Traité des
objets musicaux“ hatte der französische Komponist und Begründer
der musique concrète Pierre Schaeffer versucht, Geräusche nach ihren
Eigenheiten zu klassifizieren. Jedoch bleibt jedes Geräusch, so
ähnlich es einem anderen auch sei, ein Einzelphänomen, eine stets
singuläre, einzigartige Klangerscheinung. Das steht der Formulierung
eines musikalischen Systems grundsätzlich entgegen und begründet
die Unbegrenztheit und Freiheit, die Christof Schläger für seine
Arbeit in Anspruch nimmt. Schläger ist, im Gegensatz zumanchen anderen
Instrumentenbauern, nicht daran interessiert, ein musikalisches
System zu entwickeln. Die Konstruktion seiner Klangmaschinen und
ihrer Klangwelten gehorcht diesbezüglich keinerlei Systematik. Schläger
folgt seiner Intuition. Er konzentriert sich auf die Materialien
und deren Klangeigenheiten, lässt sich von den Ergebnissen überraschen
und entfaltet diese dann aus der konkret handwerklichen Arbeit heraus
zu einer je bestimmten, detailliert ausformulierten Gestalt.
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Entwürfe v.l.n.r.: Chromix,
Typedrum, Knackdosen, Hopper, Klapperrappel und Sirenen |
Der Künstler lässt sich von Klängen und Geräuschen inspirieren,
die ihm in seiner Lebenswelt begegnen. Zum Bau fast jeder Klangmaschine
weiß Christof Schläger ein Erlebnis zu berichten. Die Klangwelt,
die dabei entsteht, ist von dieser Inspiration und auch vom Technischen
ihrer Erzeugung inspiriert. Sie umfasst metallische Klänge, sirrende,
schwirrende und pfeifende Geräusche, Klicksounds, Rasseln und Klingeln
sowie durchaus auch Töne; beim „Schwirrer“ zum Beispiel tritt der
Geräuschanteil hinter den Tonhöhenwert zurück. Diese Klang- und
Geräuschcharakteristik ergibt sich aus der technischen Konstruktion
der Klangmaschinen, jedoch ohne dass Christof Schläger mit ihnen
technische Geräusche imitieren möchte. Ihre technische Anmutung
bildet vielmehr eine symbolhafte, auch allegorische Dimension der
Klangwelt, indem sie auf die Welt, in der wir leben, verweist. Darüber
jedoch öffnet sich ein Erfahrungsraum, der den Eigenwert dieser
Klänge betont und ihre Schönheit offenbart. In den Kompositionen
Christof Schlägers mutieren die technischen Geräte und Klänge zu
Gebilden einer Fantasie, die völlig Neues entstehen lässt.
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IV. Komposition
Christof Schläger ließ sich musikalisch nicht nur von der
Geräuschhaftigkeit der modernen Welt inspirieren, sondern
auch von der Arbeit zeitgenössischer Künstler und
Komponisten. Ihn fasziniert das Werk von Conlon Nancarrow,
der mechanische Klaviere benutzte, um mit ihnen
rasend schnelle, hochkomplexe rhythmische Strukturen
zum Klingen zu bringen. Ebenso begeisterte ihn
Mauricio Kagels Konzept des instrumentalen Theaters,
bei dem die Aktion des Musizierens als szenisches Element
im Vordergrund steht. Bereits 1972 erwarb Schläger
eine Schallplatte mit Stücken von Luc Ferrari, der mit
Aufnahmen unterschiedlicher Geräuschwelten komponierte.
Mit Ferrari realisierte Schläger 2003 ein Konzert
in Herne. Auch die Installationen des Künstlers Trim-
pin mit selbst entworfenen Klangerzeugern sowie die
farbenprächtigen, kinetischen Maschinen Jean Tinguelys
hatten Einfluss auf Christof Schlägers Arbeit. Diese
Kunst-Phänomene empfindet er als eine geistige Wolke,
die ihn vorangetrieben und sein Komponieren beeinflusst
habe.
Komposition Skizze v.l.n.r.: 'Planetengetriebe',
'Perlenkette' und 'Häuser'
Schlägers Kompositionen zeichnen sich vordergründig
durch eine prägnant perkussive Note aus. Sie unterstützt
die technische Anmutung des Klangs, zitiert Maschinenrhythmen,
geht jedoch weit darüber hinaus. Seinen Ursprung
hat diese Geste in der minimal music, zu der der
Künstler ebenfalls große Affinität verspürt. Repetitionsstrukturen
beherrschen dort die Musik. Sie werden exponiert
und meist schnittartig gereiht. Manchmal erzeugen
kleine Variationen in ihrem Innern kleinere Veränderungen,
die zu neuen Kombinationen und Abläufen führen.
Vieles davon erinnert auch an Gestaltungsprinzipien von
Musikstilen wie HipHop oder Techno, wo einzelne Klangelemente
gereiht und geschichtet werden und sich daraus
mehr oder weniger komplexe, rhythmisch verschränkte
Klangarchitekturen ergeben.
Christof Schläger verwendet zu Generierung solch komplexer
Reihungen und Schichtungen grafische Modelle.
Zum Beispiel zeichnete er eine Serie unterschiedlich großer
Walzen, die mit Mustern bemalt sind und sich gegen
einander drehen. Dabei kehren die Muster immer wieder,
jedoch in stets neuen Kombinationen. Andere Zeichnungen
zeigen unterschiedlich große, mit Symbolen versehene
Zahnräder. Sie greifen in verschiedenen Anordnungen
ineinander und erzeugen ebenfalls komplexe, sich
stets verändernde Strukturen der Symbole.
Komposition Skizze v.l.n.r.: 'Gebetsmühlen',
und 'Paternosterhaus'
Noch diffiziler wurde es 2007, als Schläger begann, mit
Schiffshörnern in Außenräumen zu arbeiten und mit ihnen
Quadratkilometer große Landschafts-Areale zu bespielen.
Schläger platziert mehrere Schiffshorn-Gruppen
weit auseinander oder kombiniert feste Standorte
mit beweglichen Positionen auf Zügen oder Schiffen. Wegen
der geringen Schallgeschwindigkeit von 343,46 Meter
pro Sekunde bei 20° Celsius in normaler Luft kommt
so die Zeit ins Spiel. Es vergehen eine halbe, eine oder
zwei Sekunden, bis der Schall einer Schiffshorn-Gruppe
den Zuhörer erreicht, wohingegen die Töne anderer
Gruppen früher ankommen. An verschiedenen Orten
des Aufführungs-Areals vermischen sich somit die Tonfolgen
der Schiffshorngruppen auf verschiedene Weise,
und welche Ton- und Klangkombinationen zu hören
sind, hängt vom Standpunkt des Hörers ab. Außerdem
bricht sich der Schall auch an Landschaftsmarken, an
hohen Gebäuden etwa, und erreicht von diesen reflektiert
den Hörer. Nicht nur die Klangquellen, die der Künstler
im Landschaftsraum postiert, tragen zum entstehenden
Stück bei, sondern auch Elemente des Raum selbst.
Diese Musik hat eine dreidimensionale Anmutung,
allein schon durch die Tatsache, dass die Klänge den
Hörer aus sehr verschiedenen Richtungen erreichen.
Die fein verwobene Klangarchitektur, die in den Außenräumen
entsteht, wölbt sich als akustisches Ambiente
über die Landschaft und korrespondiert mit den dort üblicherweise
klingenden Geräuschen. Denn diese können
ja nicht ausgeschaltet werden, sondern gehören integrativ
zur Landschaft.
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V. Skulptur
Durch die dreidimensionale
Struktur der Klanginstallationen hat Christof Schlägers Musik auch
eine skulpturale Komponente. So wie man um eine Skulptur herumgehen
und sie von verschiedenen Seiten betrachten kann, so erlaubt auch
Christof Schlägers Musik ein Hören von unterschiedlichen Seiten
beziehungsweise Standorten. Darüber hinaus ist das Optische eine
wichtige Fassette von Schlägers Klangmaschinen. Zwar stellt der
Künstler den Klangaspekt seiner Maschinen in den Vordergrund, doch
sind sie genauso Skulpturen, deren optische Erscheinung einen Wert
an sich besitzt. Und obwohl Schläger sich hauptsächlich an der Zweckmäßigkeit
der Geräte in Bezug auf den Klang orientiert, hat er stets ein Auge
auf die optische Wirkung seiner Kreationen. Schon eine der frühesten
Maschinen, „Federine", lässt das unmittelbar
erkennen. Die tragende Konstruktion des Geräts ist eine steile Pyramide
und damit ein klassisches Motiv architektonischer Ikonografie. Geradezu
liebevoll montierte Schläger metallene Federn, Drähte und Stäbe
an die Pyramide. Dabei entstand eine sogar an menschliche For- men
gemahnende Skulptur, deren optischer Aspekt dem klanglichen nicht
nachsteht.
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Klanginstrumente v.l.n.r.: Federine, Flatterbaum und Standzeit
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Diese Klangmaschine
fußt auch in Bezug aufs Optische auf der Technik. Aber ähnlich wie
beim Klanglichen bildet das Technische lediglich eine Basis, auf
der andere Ebenen sichtbar werden. An der „Federine“ offenbaren
sich ganz untechnische Merkmale der Arbeit von Christof Schläger:
sie ist detailverliebt, verspielt und mit einer Spur Humor entworfen.
Ein ähnliches Beispiel ist der „Brauser".
Auf übermannshohen Stäben sind Motoren befestigt, die Plastikfolien
tragen. Wenn sie sich drehen, erzeugen diese Folien sanft pfeifende
und sausende Geräusche. Mehrere dieser Stäbe stehen zusammen. Dadurch
ergibt sich eine baumähnliche skulpturale Form, die wie die Elemente
der „Federine“ einen Hang des Künstlers zu filigranen und fragilen
Strukturen entäußert.
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Klanginstrumente v.l.n.r.: Klapperrappel, Knackdosen und Telewald
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Christof Schläger referiert dabei auf verschiedene ästhetische Signaturen,
auf Bilder, Formen und Gestalten, die ihren Ursprung in modernen
Kunstrichtungen haben. Die technische Affinität seiner Klangmaschinen
schafft Referenzen zum Futurismus mit seiner Technikverherrlichung
und zum Kubismus mit seinen kantigen, ineinander verkeilten Formen.
Auch lassen Schlägers Konstruktionen eine Nähe zu den Plastiken
von Alexander Calder und Yves Tinguely spüren. Ähnlich wie Calder
gestaltet Christof Schläger seine Skulpturen mit klaren geometrischen
Formen, die jedoch häufig kurvig gebrochen erscheinen und durch
ihre Bewegungen und ihr Erzittern beim Spiel einer technizistischen
Geometrie entfliehen. Von Tinguely sind farbliche Komponenten der
Klangmaschinen inspiriert. Sie bilden zwar ein dezentes Element,
das gleichwohl nicht unwesentlich das optische Erscheinungsbild
prägt.
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Klanginstrumente v.l.n.r.: Schellenbaum, Sirenen und Knister
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Surrealistische Aspekte finden sich im Zusammenspiel
der Formen, besonders, wenn sich der Blick auf Details der Klangmaschinen richtet: auf die Verbindungen und
Verschlingungen von kleinen Motoren, zurecht geformten Dübeln, unterschiedlich farbigen Drähten und Kabeln,
Kompressorschläuchen sowie Stäben und Halterungen, die manchmal an Insektenbeine gemahnen. Schließlich finden
sich auch Anlehnung an das filmische Science-Fiction-Genre mit seinen ausufernden Fantasiegebilden, die
Schlägers Objekte noch weiter ihrer technizistischen Bindung entheben und ganz wesentlich zu ihrer enigmatischen
Wirkung beitragen.
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